Buchbesprechungen Marco Lanzetta La buona mano. La storia del primo trapianto di mano raccon¬tata da uno dei suoi artefici [Die gute Hand. Die Geschichte der ersten Handtransplantation erzählt von einem ihrer Urheber] Milano Garzanti 2009, (ISBN 978-88-11-60099-2), 15.00 EUR 1998, vor elf Jahren, fand in Lyon die erste Handtransplantation statt. An der Spitze ei¬ner international besetzten Chirurgen-Equipe gelang es dem damals 36-jährigen Hand¬chirurgen Marco Lanzetta dem Patienten Clint Hillman aus Neuseeland die Hand eines Verstorbenen zu transplantieren. Von diesem Ereignis in der Geschichte der Transplanta¬tionschirurgie berichtet Lanzetta in seinem auf Italienisch erschienenen Buch „Die gute Hand“. Allerdings stellt die besagte Trans¬plantation lediglich den Endpunkt intensiver experimenteller Forschung und klinischer Praxis im Bereich der Handchirurgie dar. Der eigentliche Gegenstand dieses spannenden Buches ist der von Lanzetta beschrittene Weg. Um die innovativsten Transplantations¬techniken und mikrochirurgischen Verfahren zu erlernen, geht der junge Chirurg Lanzetta an die weltweit renommiertesten Zentren (Australien: Sidney Hospital, The Microsearch Foundation, Sidney, Bernard O’Brien Insti¬tute of Microsurgery, Melbourne; Prince of Wales Hospital, Kanada, McGill University, Maisonneuve-Rosemont Hospital, Montréal und Lyon Frankreich). Der eiserne Wille, den Traum einer Handtransplantation zu ver¬wirklichen, motiviert ihn über Jahre hinweg (1993-1998) zu unermüdlichen Recherchen, Experimenten und Ortswechseln. Mehrfach transplantiert er Extremitäten an Ratten, bei denen er die Wirkung von Immunosuppressi¬va und Physiotherapie prüft. Anhand des in Form eines „Chirurgischen Ta¬gebuchs“ verfassten Berichts werden Facet¬ten sichtbar, die ein medizinischer Hochleis¬tungsbereich wie die Transplantationschirur¬gie gerade in der Phase der Entwicklung und Etablierung neuer spektakulärer Verfahren üblicherweise eher verbirgt: zum Beispiel der Umgang mit jungen, auszubildenden Chirurgen; der Umgang mit Fehlern; die Kommunikationsprobleme in hierarchischen Settings; die bittere Konkurrenz zwischen „Kollegen“; die Diskussionen um die ethische Vertretbarkeit von Operationen, die noch als experimentell gelten und die treibende Kraft allzu menschlicher Ambitionen, wie der Wunsch „der erste gewesen zu sein“. Das Zu¬sammentreffen zweier Ereignisse mobilisiert Lanzetta und seine Kollegen schließlich zur Durchführung der ersten Transplantation: Die Tatsache, dass eine Gruppe von Chirurgen (Louisville, Kentuky) auf dem Weltkongress für Mikrochirurgie im Sommer 1998 (Corfù) angekündigt hatte, für die Handtransplanta¬tion bereit zu sein und nur auf die passenden Spender/Empfänger zu warten und dass in Sidney ein Patient bereit war, sich die Hand transplantieren zu lassen. Es beginnt eine abenteuerliche Suche nach dem geeigneten Ort, an dem die Operation ohne Hindernisse (auch ethischer Art) stattfinden kann. Am 10. September 2008 ist das internationale Team von 24 Anästhesisten, Chirurgen, Kranken¬schwestern, Psychologen, Physiotherapeuten am Hôpital Edouard Herriot in Lyon versam¬melt. Die „technische“ Vorbereitung der Ope¬ration, die damit verbundenen Zweifel, aber auch die Frage, ob die psychische Verfassung des 48-jährigen Patienten Clint Hillman die OP zulässt, beschäftigen die Hauptakteure. Das Problem der Suche nach dem richtigen Spender erweist sich als größer als gedacht: am 22. September befindet sich das Team samt Patienten nach einer Wartezeit von 11 Tagen eigentlich bereits auf dem Weg nach Hause zurück, als am 23. September doch noch ein passender Spender auftaucht. Die OP beginnt am 23. September um 8.50 Uhr und ist um 14.42 Uhr beendet. In der Folge wird Clint Hillman in Las Vegas, wo er mit einer der Krankenschwestern aus Lyon untergetaucht war, nicht nur beim Betrug ertappt. Aufgrund der vernachlässigten Ein¬nahme von Immunosuppressiva muss ihm schließlich auch die Hand wieder abgetrennt werden. Lanzetta wird fünf weitere Trans¬plantationen (darunter auch die Transplanta¬tion beider Hände) vornehmen, bis er 2002 zur Einsicht gelangt: „Mit meinen drei italienischen und zwei fran¬zösischen Patienten ist meine Serie bisher die längste der Welt. Die letzte Handtransplanta¬tion findet 2002 statt. Danach ist Schluss. Aus zwei Gründen. Erstens, möchte ich mindes¬tens zehn Jahre warten, um in aller Ruhe mit zeitlicher Distanz Pro und Contra dieser Art von OPs abwägen zu können, um dann even¬tuell mit weiteren fortzufahren. Zweitens gibt es, unter Berücksichtigung der strengen Inklusionskriterien, gegenwärtig keinen ge¬eigneten Kandidaten.“ (S. 134). Dieses klare Bekenntnis Lanzettas zeugt von ethischen Reflexionen und lädt damit, wie das ganze kurzweilige und höchst spannende Buch, von dem eine deutsche Übersetzung wünschenswert wäre, ohne jeden Zweifel zu weiteren medizinethischen Reflexionen ein.Prof. Dr. phil Dr. rer. med.Mariacarla Gadebusch BondioInstitut für Geschichte der Medizin, Universität GreifswaldDepartment für Ethik, Theorie und Geschichte der Lebenswissenschaften, Universität Greifswaldgadebu@uni-greifswald.de Obere.